Montag, 12. Mai 2014

Ohnmacht

11.5.2014 ARD

Endlich mal wieder ein guter, ein spannender, ein zeitkritischer Tatort, diesmal aus Köln. Gut, weil vieles - nicht alles - authentisch war und "passte". Spannend, weil die Handlungsstränge nicht verwickelt und verworren waren, sondern klar auf ein unabweisbares Ende hinliefen, das dann im Abspann - das hatten wir noch nie - auch endlich kam. Selbstjustiz als letztes Mittel, seine Ohnmacht zu demonstrieren.
Um was ging es?
Ballauf (Klaus Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) treten gegen eine massierte Oberschicht-Jugendkriminalität an, die sich auf einem U-Bahnhof abspielt. Die Kommissare begeben sich nach einem Currywurstgenuss (teilweise) nach Hause. Schenk im PKW, Ballauf zu Fuss mit einer Flasche Bier in der Hand. An besagtem U-Bahnhof wird a) ein Jugendlicher von Gleichaltrigen halbtot geschlagen uns stirbt später an den Verletzungen, und b) Ballauf vor die einfahrende U-Bahn gestoßen. Er überlebt, ist wesensverändert und aggressiv von nun an. Die Täter, Jugendliche aus "besseren" Verhältnissen, sind: ein sehr gut spielender Haupttäter, ein pubertierendes Engelsgesicht von Mädchen samt albtraumhafter Mutter und ein Mitläufer, der das alles digital filmt und ins Netz stellt. Soweit der Plot.

Entscheidend die Abwicklung. Eine neue Sekretärin (motzige Nachfolgerin von der ermordeten Franziska) mit Hang zu Computerhochmut, bringt manche Erkenntnis, auch die, dass Ballauf ein wenig digital zurückgeblieben zu sein scheint. Eine eher zynische Haftrichterin stellt fest, sie habe das Jugendrecht nicht gemacht und entlässt die dingfest gemachten Täter bis auf einen in ihre Freiheit zu den "Erziehungsbrechtigten". Ballauf regt sich über diese Praxis auf, und das Mädchen, das vorher zu ihrem Schutz (als Begründung) vorgibt, von ihrem bieder gespielten) Vater missbraucht worden zu sein, wird von eben dem hingemordet.
Oberschicht-Jugendkriminalität, gibt es die - außer der so oft von den Medien thematisierten Ausländerkriminalität? Sicher, und es ist eben auch wichtig, die zu zeigen: Nicht nur Türken oder Russen hauen drauf, sondern auch die Söhne der Rechtsanwälte und Ärzte, die den Kick brauchen. Die Welt in der sie leben, gibt ihnen alles, aber eben nicht genug. Haben sie einen genetischen Defekt? 

Ohnmacht: Wenn der Einzelne einem solchen Intensivtäter ausgeliefert ist, kann sein Opferdasein nur von diesem Gefühl, dem der Ohnmacht, geprägt sein. Die Täter werden nach der subjektiven Sicht des Opfers nicht angemessen bestraft. Aber was ist dann angemessen? Diese extreme Selbstjustiz wie im Film kann es ja auch nicht sein, es sei denn wir wollen amerikanische Verhältnisse. Man kann nun schimpfen und brüllen wie Ballauf... Der nachfolgende Talk von Jauch war da auch nicht erhellend. Hier wurde deklariert und deklamiert, hier wurde erklärt und geurteilt. Die Gene spielten eine Rolle, sagte ein Psychiater.
Es ist eben ein klassisches Dilemma.
Übrigens: der Mörder des Violine spielenden Opfers wurde nicht festgestellt. Das war der einzige Fehler.