Montag, 19. Dezember 2011

Der Weg ins Paradies

Eine so guten Tatort sah man lange nicht mehr (FAZ heute morgen). Kurtulus ist Cenk Batu und undercover-Cop in einer Islamistenzelle in Hamburg. Diese plant einen Sprengstoffanschlag in einem Hotelhochhaus, zum Schein, denn die eigentliche Bombe trägt ein Mitglied der Zelle in einen vollbesetzten Bus, der als eigentliches Ziel zu gelten hat. Das BKA weiss zwar dass, aber nicht wann und wo das Ganze stattfindet. Cenk soll das herausbekommen. Er taucht in seine neue Identität als türkischer Islamist, der seine Ausbildung in Syrien bekam, bei den deutschen Konvertiten - einer ist Pakistani - ab (sehr gute schauspielerische Leistung aller). Er ist bald fast daran, aufzufliegen, doch merkwürdigerweise lässt ihn der undurchsichtige aber radikal wirkende Hassprediger und Emir (eine Art Aufseher der Gruppe) am Leben. Es stellt sich zum Schluss heraus, dass auch dieser ein undercover-Cop ist, nur aus Syrien.
Die Terroristen (alles Konvertiten, zwei davon Deutsche) erscheinen im Hotel, wo der Zugriff erfolgt, während die Bombe längst im Bus reist. Der Bus fliegt tatsächlich in die Luft - aber erst, nachdem Cent den Pakistani gerettet hat und alle Passagiere den Bus verlassen haben. Klar dass die Terroristen alle umkommen, Cenk Batu seine früher gemachte weibliche Bekanntschaft endlich aufsuchen darf. Unvermeidbar, dass alles ein positives (weihnachtliches) Ende findet. Dennoch: schauspielerische Glanzleistungen. Von der Handlung her spannend, wenn auch etwas schwierig hinsichtlich der Aktualität angelegt. Doch man muss anmerken: gerade die deutschen Konvertiten sind ja besonders radikal, und man erinnert sich noch an die "Sauerlandgruppe"! Aber syrischer Geheimdienst? Beigeschmack - angesichts der aktuellen syrischen Turbulenzen. Islamistische Zelle? Auf dem Hintergrund der aktuellen rechtsradikalen Terrorzelle aus Zwickau wirkt das schon wieder anachronistisch. Dennoch, ein mal wieder sehr sehenswerter Tatort. Gut gemacht.

Montag, 12. Dezember 2011

Schwarzer Tiger, weiße Löwen

Klassische Kommissarin (Charlotte Lindholm - Eisberg Maria Furtwängler) - zusammen mit renitenter Lokalpolizistin löst sie einen eher unappetitlichen Fall von Kindesentführung, Mißbrauch und Sklavenhaltung. Der Entführer wird von einem seiner Opfer getötet und das macht die Sache undurchsichtig. Die Auflösung ist überraschend, denn es handelt sich bei der Mörderin, der allerdings viele Sympathien entgegenschlagen, um eine in eine andere Rolle geschlüpfte Aussteigerin. Soweit, so gut. Plot gut, Durchführung mangelhaft wegen der parallelen Verquickung des Eisblocks in eine gewollt wahnsinnig erotische Liebesaffäre, die nun der Lindholm gar nicht zusteht. Man glaubt es ihr nicht. Und dann: der ganze Krimi ist weiblich. LKA-Beamte, Polizistin. Mörderin, Ehefrau des Kinderschänders, der Liebhaber sowas von klischee-behaftet. Der einzige Mitspieler in glaubhaft "männlicher" Rolle ist der ausflippende Polizist, der der ohne Dienstausweis (im Liebesnest verloren!) reisenden Lindholm erstmal dienstlich und dann mit gezogener Waffe gegenübertritt.
Männer - ein Auslaufmodell, die Zukunft ist weiblich (klar, was denn sonst...)
Krimi mittelmäßig, aber ansehbar.

Montag, 5. Dezember 2011

Das Dorf

Ulrich Tukur, ein von mir sehr geschätzter, weil ungewöhnlicher Schauspieler, sagte "...und ich finde, nach 40 Jahren (Tatort) kann man auch mal so einen Quatsch machen". Da hat er mal recht. Da ist zunächst mal die vintage-artige Bildkomposition, alles dunkel, alles so, als ob man seinen Fernseher falsch eingestellt hat, schwierig zu verfolgen. Und dann die Handlung - die ist nun ganz schwierig zu verfolgen, T. spielt einen Hirn-Tumorkranken LKA-Beamten, dessen Tumor singt. Tatsächlich, nur erfährt das keiner der Zuschauer so richtig. Überraschung... Auch dass es wohl um so was wie einen organisierten Organhandel geht; Doktorinnen springen da rum, da kann einem angst und bange werden... Klischees. Schmonzette das, aber kein Tatort, für die Tatortgläubigen unter uns: eine klare Blasphemie. Leichen hat man kaum gesehen, und wenn dann aufm Seziertisch; dann eine sehr wirre Handlung ohne den roten Faden. Tja,eine neue Generation von Kommissaren am Horizont? Oder werden manche Tatort-Zuschauer der älteren Kompanien auch schon wirr und verstehen das nicht mehr? Kein Swag mehr unter den Opas? Man sehe - ich kenne das Unwort des Jahres auch schon. (Was ist SWAG????)

Fazit: bitte keinen solchen Tatort mehr... Höchsten nach Mitternacht. Und dann lieber Kottan, denn der war wenigstens Österreicher und durfte etwas qualtingesk sein.

Montag, 28. November 2011

Ein ganz normaler Fall

Der Tatort (Nemec, Wachtveitl) wandelte sich gestern zum Studierzimmer über den Umgang mit jüdischen Gebräuchen, unterlegt von einem - nun ja, muss in einem Tatort sein - "Mordgeschehen". Der Plot ist schnell erzählt - in einer Synagoge geschieht nach einem Selbstmord einer Unternehmertochter (jüdisches Unternehmen!) ein Mord an einem Rabbi, der eine Treppe hinuntergestürzt wird. Es ist schlussendlich ein etwas beschränkter Rabbiner-Gehilfe, der sich, wie wir lernen, Schammes nennen darf. Das aber ist schon alles. Viel mehr geht es um die Rolle des deutschen Judentums in der deutschen Gesellschaft. Politisch korrekt, wird vermittelt, dass man mit den Juden bitte normal umgehen soll, kein Behandlung und schon gar keine Sonderbehandlung. Naja. Daher also der Titel. Und ein wohl ausgesuchter Pressesprecher, der dieses aussagt, muss natürlich a) eine Frau sein, und b) in der Öffentlichkeit rauchen. Das ist die Normalität. Ansonsten eigentlich ganz unterhaltsam, aber eigentlich kein Tatort-Klassiker. Hier wurden jüdische Bräuche im Sabbat dem Publikum erklärt, etwa dass der flüchtige Verdächtige nach 2000 "jüdischen Ellen" (etwa 1 km) stehen bleiben muss, da man während des Schabbes nicht weiter rennen darf... Deshalb und nur deshalb fassen ihn dann die Kommissare. Oder: ein Rabbi erklärt Synagogenschülern die logische Falle bei der Frage ob Gott allmächtig sei. Denn wenn er einen Berg schaffen könne, den er nicht mehr heben könne, dann sei er eben nicht allmächtig, und wenn er diesen Berg nicht schaffen könne, sei er es ebenfalls nicht... Alter logische Witz das, aber kommt immer wieder an. Einer der Kommissare macht einem politisch überkorrekten Staatsanwalt gegenüber weis, er sei eigentlich Halbjude (Kühn=Cohn), doch der Witz ist eben hart am "unkorrekten" Bild. Also lieber schnell korrigieren... Unterm Strich: interessant, aber nicht mehr. Schade eigentlich, denn man hätte mehr draus machen können. Aber was? Unsere deutschen Juden leben in der Tat geräuschlos und "normal" unter uns und sind unsere akzeptierten Mitbürger. Zum Glück und auch deshalb kein Plot für einen Tatort mit solchen künstlichen Überhöhungen und konstruierten Problemebenen...

Montag, 21. November 2011

Der Tote im Nachtzug.

Dies war mit Krol/Steier und Kunzenberg/Mey ein ungewöhnlich unterhaltsamer Krimi vom 20.11.2011, der von skurrilen Einfällen und Wendungen voll war. Der Plot war, und das ist in Tatortkrimis auch nicht so häufig, er war plausibel. Krimineller Selbstmörder stellt einen Raubmord nach, bringt einen ehemaligen Dealerfreund in Verdacht und später aus der Welt, verschafft durch das einfühlsame Vorgehen des Ermittlergespanns der Witwe eine ansehnliche Summe aus der Lebensversicherung…
Das Nachstellen der Tat im stillgelegten Zug z.B. war einmalig. Die merkwürdig unmotiviert agierende und im entscheidenden Moment versagende MAD-Truppe passte auch irgendwie. Krol bärbeißig und super gespielt - und nun die Mey.
Kurze Jogginghose, tiefe Einblicke, rascher One-Night-Stand nach Mata Hari -Manier mit dem nicht unattraktiven Feldjäger, loses Mundwerk, und breitbeiniges Sitzen in der "Lage", man sieht praktisch alles, also das war zuviel. Diese Art Kommissarin hätte man sich wegen der fehlenden Glaubwürdigkeit auch sparen können. Die Gute passt nun überhaupt nicht ins Klischee. Vergleich sie mal mit der Lindholm, das lohnt sich. Auf diese frivole Lady, die nun so gar nichts mit der Realität zu tun hat (mancher würde sie sich vielleicht wünschen), kann man verzichten, sie hat zu verschwinden. Ich bin nicht frauenfeindlich!
Aber als Krimi war's an diesem Sonntagabend gut!

Einleitung



Man weiß ja, der Sonntagabend ist für Fernsehkonsumenten, die wir ja alle mehr oder weniger sind, bestimmt durch den Tatort-Krimi, den es seit "Taxi nach Leipzig" (aus dem Jahre 1970 mit dem Kommissar Trimmel) gibt. Früher schlossen sich noch Sabine oder dann Anne (Will, aber kanns nicht) an, jetzt ist es der negligeable Jauch. Aber Tatort bleibt Tatort, und ich bin einer von den fast regelmäßigen und teilweise begeisterten Zuschauern, als Rentner eben. Dabei lohnt es sich, dem Tatort, eben weil er sich so lange im Fernsehgarten der BRD gehalten hat, auch als gesellschaftlichen Spiegel zu betrachten. Milieus, Unterschichten, organisiertes Verbrechen, Skandale und auch aktuelle Reizthemen (Afghanistan) sind die Gegenstände der regional bestimmten Krimis, und wir haben manche Kommissare einfach lieb gewonnen, z.B. Schimanski, Thiel (im Doppel mit Börne), Bienzle und etwa als Frau Kommissarin die Lindholm. Blass und oft überzogen hingegen die Odenthal, Lührsen, Mattes,Saalfeld-Keppler).
Und wir haben auch teilgenommen am Streit über den Rauswurf der saarländischen Kommissare Deininger und Kappl, die gerade dabei waren, sich Sympathien zu erobern.
Ich will also in den folgenden Blogs versuchen, die jeweiligen Tatorte des Sonntags am folgenden Montag zu besprechen, weil ich es einfach schade finde, dass in den Medien nur gelobhudelt und nicht kritisch genug umgegangen wird. Manche sind eben sehr gut, manche dagegen sind krottenschlecht...