Montag, 28. Januar 2013

Melinda

Das isser also - der erste Saarland-Tatort nach dem Rausschmiß der beiden Gregor Weber und Maximilian Brückner. Die mediale Öffetnlichekit hat schon vorab vom "dümmsten" Krimi aller Zeiten (Die Welt) gesprochen und hier vor Ort, alo im kleinen Saarland ohne Daseinsberechtigung, war man mehr als gespannt auf die beiden Neuen. Diese waren eine gewisse Elisabeth Brück und ein schon etwas bekannterer Devid Striesow (der an der Seite der unvergleichlichen Hannelore Hoger als Bella Block eine sehr gute Figur machte). Diese Brück, eine Saarländerin aus Ensdorf, gab die Lisa Marx,der andere war der "neue" Kommissar Jens Stellbrink.
Um es vorweg zu nehmen, das Tatortspiel war durchaus ansprechend und keineswegs "dumm". Es war sogar irgendwie intellektuell-schräg und das im Saarland, und noch nicht einmal übertrieben. Eine Zeitung schrieb, der Tatort habe etwas von Monty Python gehabt. Das stimmt sogar, so eine Nuance Skurrilität, die in vielen anderen todernsten Tatorten so sehr fehlt. Vielleicht die Münsteraner, aber doch nicht in dem Ausmaß.
Die Handlung: ein kleines arabisches Mädchen wird von einer Bande Araber verfolgt und flieht in einem Supermarkt zu eben dem neuen Kommissar, der sich dort Gegenstände für seine neue Wohnung zusammenstellt. Die Araber sind Mitglieder eines Drogenkartells, das die verpackten und nun verschluckbaren (swallow pads) Kokain-Packungen auch Minderjährigen eintrichtert. Das Mädchen Melinda ist eine solche. Mutter, Vater und Dolmetscher, der später zum Mörder der "Mutter" mutiert, gehören diesem Kartell an. Es kommt zu skurrilen Verwicklungen, bei denen der Neue sich allerhand Esoterika hingibt; er "spürt" den Tathergang während einer Yoga-Sitzung, statt dass er ihn ermittelt. Skurril-hinreißend auch eine Miss-Marple-hafte Saarbrückerin, die bei den Ermittlungen hilft. Absonderlicher Einfall auch das Versteck in einem ehemaligen Volkspark ("Gulliverland" mit Mini-Ausgaben berühmter Bauwerke; das gab es in SB wirklich - ich erinnere mich noch daran - ist jetzt maximal verfallen.)
Wahnsinnig komisch auch die Staatsanwältin, die durch "internationale" Verwicklungen im Verlauf der nordafrikanischen Problemkaskade ziemlich gehemmt, in ihrer Wirtwahl eher ungenehmmt daher kommt, und quasi eine weibliche Schießbudenfigur abgibt. Sehr gut.
Zum Schluss ein Shutdown an der frz. Grenze, die es ja eigentlich nicht mehr gibt. Das wirkte fast wir ein Zeitsprung in die Zeiten des seligen Louis de Funes...
Und dann ein happy end: Melinda wurde gerettet. Für den Neuen. Die Brück eher in einer Nebenrolle gegen den vorzüglichen Stellbrink.
Kritisch anzumerken wäre, dass das Saarland als Region in diesem Tatort nicht vorkam. Kein Marketing-Gag war zu sehen. War das jetzt ein Fehler der Dramaturgie oder gewollt? Denn in 10 Jahren etwa gibt's das Saarland sowieso nicht mehr.
Man freut sich auf weitere Folgen, denn eigentlich war der Tatort weder dumm noch langweilig. Er war einfach heiter-spannend! Jawohl.

Dienstag, 8. Januar 2013

Machtlos

Die Kommissare Till Ritter (Dominik Raacke und Felix Stark (Borsi Aljinovic in Berlin sind machtlos. Denn ein Kidnapper (Edgar Selge) entführt das einzige Kind eines reichen Bankers. Natürlich, er will Lösegeld, und zwar nicht zu knapp, in zwei "Tranchen". Die erste - 500.000 - gibt er nach der Übergabe auf dem belebten Alex in Berlin an zufällig Vorüberkommmende aus. Er verschenkt das Geld, dann - er wird von der geballten Kraft der Berliner Polizei beobachtet - lädt er eben diese ein, ihn zu verhaften. Was die zunächst mal nicht tun, denn er könnte sie ja zu dem Versteck des Kindes führen. Doch er provoziert sie so, dass sie ihn dann doch verhaften. Nun kommt's: er will das weitere Lösegeld von der Familie - 10 Mio. Nicht wenig, und das unter den Augen der Polizei. Nur dann wird er das Versteck preisgeben, aber die Zeit läuft, denn das Kind hat nichts mehr zu trinken. Es wird also verdursten.
Es entsteht ein Wettlauf gegen die Zeit, und die beiden Kommissare können nichts tun; sie sind machtlos, denn der Kidnapper, der intensiv verhört wird (nah am Foltertatbestand) schweigt.

Der Kidnapper heißt Uwe Braun und hat eine bewegte Vergangenheit, die wirtschaftlich von eben dieser Bank bestimmt, d.h. ruiniert wurde. Das liegt zwar lange zurück, und es kann sein, dass dieser Uwe Braun, mit einer recht zerstörten Familie (zwei Kinder, die nichts mit ihm zu tun haben wollen) einfach Rache üben will. Doch das stimmt eben nicht. Er will "ein Zeichen setzen" und möchte das Geld gegen den Hunger in der Welt verwenden, ein ehrenhafter Kidnapper also, verrückt und doch logisch irgendwie, wenn er sagt, dass das Leben des entführten Kindes gegen das der Tausende Kinder steht, die täglich hungers sterben in der Welt. Verrückt, aber plausibel. Und sehr gut gespielt von Edgar Selge. Aber auch die Kommissare sind gut, zurückgenommen und eben rat- und machtlos. Die überraschend Lösung ist, dass das Zeichen - nach einer anrührenden Konfrontation mit dem verlorenen Sohn (Sohn des Selge im wirklichen Leben) aus Zürich - wirklich gesetzt wird.
Es kommt zu einer überraschend Lösung:
Er sieht die Unmöglichkeit der Geldübergabe unter den Augen der Polizei ein, verlangt daher in einer Gegenüberstellung mit der Mutter, dass die Millionen nun von ihr selber zweckgebunden, so wie er das will, eingesetzt werden. Dann wird er das Versteck preisgeben. Das wird von allen, auch erleichtert, akzeptiert und das Kind wird - lebend - gefunden.
Der Tatort ohne Leiche. Der Tatort psychologisch auf hohem Niveau und mit authentischen Szenarien. Der Tatort: eben gut.
Sollten wir auf dem Wege in eine neue, eine bessere Tatortwelt ein?

Mittwoch, 2. Januar 2013

Der tiefe Schlaf

Die Münchner Leitmayr und Batic (Udo Wachtveitel und Miroslav Nemec) ermittelten gestern wieder, doch ging nichts so wie es in einem Tatortschema eigentlich zuzugehen hat:
Leiche, Spuren, Verdacht, Theorie, (noch 'ne Leiche), Dramatik, Lösung. Ende an der Currybude, oder einer ähnlichen Institution.
Nein, dieser Tatort, vielleicht leiten dieser und der mit der Furtwängler zu neuen Tatortwelten über, wurde klischeelos und schlüssig-spannend bis zur letzten Minute vorgetragen. Es ging um einen Mädchenmord, auf einsamer Straße, doch um diesen weniger als um den unglaublich mitreißenden Auftritt des Polizei-Adepten Gisbert Engelhard (Fabian Hinrichs), eine wahre Entdeckung. Der nämlich, in jedes Fettnäpfchen bei den altgedienten Kommissaren stolpernd, hat als Fernmelder jahrelang bei der Bundeswehr gedient; also auch solche Antirambos kommen bei der Bundeswehr vor? Und jetzt soll er eine Art Verstärkung bei der Aufklärungsarbeit der beiden sein und siehe da, in etwas trotteliger  aber liebenswerter Art schafft er sogar Lösungshilfen, die jedoch meist im Unklaren verdämmern. Wie überhaupt der Tatort einer der persistierenden Unklarheiten ist - bis zum Schluss, denn eine richtige Lösung, mit Gutmenschen und Bösewichtern, die eingelocht werden, gibt es nicht.
Dieser Gisbert, ein Antiheld, kein Draufgänger, man würde sagen, ein Softie, besticht durch das Unkonventionelle, die andere Art; vielleicht auch ein Zugeständnis an die heute geforderte neue Männerolle. Naja, denn er scheitert ja, bezahlt sein Softiedasein mit dem Leben. Paradigma der Sanftmütigkeit?.
Der aufwühlende Schwenk der Handlung ist ja dann auch der Tod ebendieses Adepten durch den Mörder selber, grausam provoziert durch die Besserwisser-Kommissare, die dann - recht glaubwürdig - sich schuldig fühlen und leiden wie Hunde. Der Zuschauer ist ziemlich mitgenommen, selten bei so abgebrühten Tatortkonsumenten wie dem Autor.
Der Mörder dann - akustisch entlarvt durch eben die Vorarbeit dieses armen Teufels Gisbert, dem unsere Sympathien gehört - entkommt, aber er wird nicht gefangen, das wäre auch zu schön, sondern er wird auf der Flucht vor den nun recht unprofessionell agierenden Kommissaren, von einem Auto überfahren.
Offen ist, ob der nun wirklich der Mörder war. Alles unklar eben. Und unsicher.
So kann das wirkliche Leben sein: scheitern wie und wo immer, versagen und verkümmern. Aber auch Besinnung, nachdem es "passiert" ist. Alle Akteure glaubwürdig und konsistent.
Leichen werden übriges nicht gezeigt, nur in Andeutungen. Sympathischer, aufrührender Tatort. Den Gisbert übrigens möchte man öfter sehen.