Montag, 25. Februar 2013

Puppenspieler

Bremen: Hauptkommissarin Inga Lürsen (Sabine Postel) und Hauptkommissar Stedefreund (Oliver Mommsen) sind die Ermittler, zusammen mit dem volksphilosophischen Dicken, Leo Ulfanoff (Antoine Monot jr.), und der hat plötzlich eine sehr im Prüden gehaltene Affaire mit jener Inga. Na sowas, besonders weil der Böse seinen Sex in einem Video ungehemmt mit einer Minderjährigen, genannt Mel, ausleben kann. Die Guten treiben es im Hintergrund, die Bösen in aller Öffentlichkeit, das ist die sexuelle Freiheit im Fernsehen, inzwischen. Nicht dass ich das offen gesendete Beischlafen kultiviert fände, darum gehts ja auch garnicht.
Doch zurück zum Thema. Das handelt von den Bösen, die mitten unter uns sind und immer mehr auf den oberen Rängen der Gesellschaft ihren Platz finden,was ja nicht neu ist.
Eine Richter-Riege soll ein Bremer Umweltthema ("Weservertiefung") juristisch absichern. Eine Bürgerbewegung schreckt auch vor der Sexulavideobelastung (s.oben) des einflussreichsten der Richter nicht zurück, um ihn zu Einlenken zu zwingen. Doch es kommt gleichzeitig ein zweites Video der gleichen Gelegenheit auf, das von zwei Junkies (Ole und Mel) abgedreht wird, deren weiblicher, minderjähriger Anteil den Richter im Hotel im Bett hat. Eine simple Erpressung geht ab. 50.000 Euro sollen fließen.
Leider hat dieser Richter aber beste Beziehungen zum BKA. Jetzt tritt das BKA mit helfender Hand als Killerorganisation auf die Bühne und "erledigt" per "Avatar" den Junkie Ole; es hat schon eine ganze Menge anderer Fälle ähnlich beseitigt, im Sinne eines gerechten Kampfes gegen das organisierte Verbrechen. Die Kleine Mel, Hürchen und Straßenkid, soll als nächste dran glauben. So wird aber das BKA selber zum Bestandteil dieses Verbrechens. Wir sind alle von diesen Avataren,den Phantasiefiguren,denen man nichts nachweisen kann, umzingelt.
Rechnung ohne Stedefreund, der übrigens hinschmeißen und nach Afghanistan machen will, und Konsorten! Die klären auf, Mel ist gerettet und wie. Und komischerweise, obwohl der Richter den Satz fallen läßt: "Wenn ihr mir nicht helft, dann bebt Berlin", wandern alle in den Knast... Alles ist gut
Fazit: irgendwie zwar spannend, aber doch überzogen, und deutungsbedürftig. Der Ansatz, dass die, die das Verbrechen bekämpfen sollen, zwangsläufig selber zum Verbrecher werden müssen, ist schon spannend,aber nicht konsequent umgesetzt. Technik über alles, Anleihen an minority report etc. lassen sich nicht verheimlichen. Tatort aus Bremen: schon bessere gesehen.

Montag, 18. Februar 2013

Zwischen den Fronten

Ein Tatort als Politthriller. Und zwar ein spannender, ein guter. Auch sowas gibts heute und stützt meine Meinung, dass die Qualität der Tatort-Inszenierungen zugenommen hat. Erfreuliches Geschehen im Reiche der Öffentlich-Rechtlichen.
Der Tatort spielt in Österreich und in einem rechtsradikalen, fremdenfeindlichen und rassistischen Milieu. Die Kommissare sind Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser als Moritz Eisner und Bibi Fellner. Beide in gelungenen Rollen! Bei einer internationalen Konferenz kommt es zu einem Selbstmordattentat gegen den Vorsitzenden, einen Amerikaner, das aber keines ist, sondern sich gegen einen jungen Moslem richtet, der auf eben die Konferenz einen Vortrag halten soll.
Zunächst sieht es noch so aus, dann stellt sich aber heraus, dass es auch eine Beziehungstat sein könnte, und die beiden Kommissare ermitteln in diese Richtung. Doch im Hintergrund spielen andere die Musik. Dort läuft ein Spiel um rechte Minister, rechtsradikale Organisationen (Burschenschaft - ich hör dich trappeln...) und um übergeordnete Dienststellen (dort heißt das Bundesverfassungsdienst f. Terrorbekämpfung BVT). Die weibliche Gegenspielerin, eine Frau Major (die haben ja dort alle militärische Ränge) Warig, die auch sehr gut spielt, steigert noch die Rivalität der beiden Dienste.
Als der dubiose Ministerkandidat Michalski den Fall nach dem Selbstmord eines Verdächtigen ad acta legen will, kommen die beiden Ermittler erst richtig in Fahrt. Sie decken eine rechtsradikale Organisation auf, die bis in höchste Regierungskreise reicht, aber - und das ist das Niederschmetternde, durchaus real und mächtig ist: sie scheitern, die Festnahme der Mörder wird "von oben" verhindert. Das eigentliche Ziel war es, durch das fingierte Selbstmordattentat ein Überwachungsgesetz zu erzwingen, das den rechten Kräften hätte nützen können; das wurde zwar nicht in die Tat umgesetzt, und die rechte Organisation zumindest ausgebremst. Zerschlagen wurde sie aber nicht...
In Österreich,wo ein Herr Haider möglich war und rechtsradikale Burschenschaften mit Anschluss an die Gesellschaft (Akademikerball) agieren, scheint dieser Tatort "aus dem Leben gegriffen" zu sein.

Montag, 11. Februar 2013

Schmutziger Donnerstag

Es sind sich diesmal alle einig: der Schweizer Tatort aus Luzern ist gut. Aktuelles Outfit, spannende Handlung und gute Fotografie - alles hat gepaßt und die Akteure sämtlich einheitlich gut, wenn auch verständliches Sprechen vielen schwerfiel. Das ist aber ein Zeichen der Zeit, so gute Sprachbeherrscher wie Gründgens oder Heinrich George (Sohn: furchtbar) kommen nie wieder.
Aber keine Ablenkung: was war die Handlung? Zur besten Fastnachtszeit in Luzern spielen auch die Zünfte, mittelalterliche Protektionsgenossenschaften und Seilschaften, mit, von denen ein sehr undurchsichtiges Mitglied während der Fastnacht und in voller Maskierung, ermordet wird. Meisterliche Masken geistern umher und machendas Ganze unwirklich. Man ist an Ensor erinnert und auch an Venedig und die Serenissima. Auch Zuckmayers Fastnachtsbeichte lieg mir im Sinn.
Es handelt sich um eine persönliche Rache gegen diese Zunft und die wird in allen Verkleidungen spannend bis zum Höhepunkt getrieben. Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) spielen sehr überzeugend. Der immer wieder neu verkleidete Mörder führt alle an der Nase herum, und das müssen auch Flückiger und seine lesbische Assistentin erleben. Zum Schluss kommt es alles ganz anders und zum verdienten und nicht überzeichneten Showdown.
Der Schweizer Tatort hat sich damit in die Oberliga hochgespielt.